Lebenslauf eines Modelleisenbahners
von Andreas Jakob

Eigentlich ist eine Hebamme an allem schuld. Als sie 1966 meinem Vater aus dem Klinikfenster zurief „ …es is a Burr…“ (die Klinik steht in Heilbronn/Neckar) kam ihm wohl in den Sinn: „Jetzt kommt eine Modelleisenbahn ins Haus“.
Tatsächlich dreht dann an meinem ersten Weihnachtsfest ein Adler von Trix Express seine Runden auf dem Esszimmertisch. Offensichtlich hatte ich viel Gefallen an dem Bähnchen, denn die Bilder im Familienalbum verraten, dass Jahr für Jahr das Bähnchen zu Weihnachten aufgebaut wurde. Neben dem Adler durfte eine BR 80 zwei rote Donnerbüchsen ziehen und eine BR 64 ein paar Güterwägen rangieren.
Anfang der 70er zogen wir in unser eigenes Haus. Für das Bähnchen begann ein neues Leben. Es bekam eine feste Anlage in der Größe der Tischtennisplatte und durfte auch schon mal im Sommer bespielt werden. Es entstand eine typische Spielanlage, wie sie wohl die meisten Modelleisenbahner in meinem Alter hatten: drei Bahnhöfe, ein toller Berg mit Seilbahn, Windmühlen, lange Züge, Grasmatte, Straßen aus Fotokarton. ABER: VIEL Spaß!!! Natürlich lieferten wir uns Rennen mit den Loks, bauten Crashs, aber wir haben auch stundenlang rangiert, alles als Ladegut verwendet, was irgendwie gepasst hat. Ich begann die Preiserlein selbst zu bemalen, Autos zu tunen, baute immer wieder andere Szenen auf. Viel Taschengeld wurde investiert, der Fuhrpark vergrößert und an Weihnachten stand immer wieder ein Modell auf dem Wunschzettel.
Als ich meine erste eigene Wohnung bezog wollte ich eigentlich noch ein Modellbahnzimmer im Schlafzimmer einrichten, doch beim Umzug litt die Anlage erheblich, die Elektrik funktionierte nicht mehr so recht und so verschwanden – wie bei vielen – meine Schätze in Kartons im Keller. So ganz losgelassen hat mich das Hobby nie, Besuche auf Modellbaumessen (Sinsheim), ab und zu mal ein neues Modell auf einer Börse erstanden, aber für eine neue Anlage war kein rechter Platz vorhanden. Dem Modellbau blieb ich treu, allerdings begeisterten mich RC-Modellschiffe bald mehr. Viele Preiserlein bekamen eine neue Aufgabe. Als Offiziere und Matrosen tun sie nun Dienst auf dem Kreuzer Emden I.
Zufällig entdeckte ich im Winter 1996 ein ehemaliges Bauernhaus am Rande des Steigerwalds. Mit einem fast 30 m² großen Stall.

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Mein Zuhause im Original

Zwei Jahre dauerte der Umbau, der Stall wurde zur Hobbywerkstatt mit Wasseranschluss, Heizung, Stereoanlage, TV - allerdings immer noch für den Schiffsmodellbau. Das Bähnchen verstaubte an der Wand, die Kartons standen im (feuchten) Keller. Eine neue Anlage blieb ein Traum. Ich sammelte Gleisbücher und Fachliteratur, zeichnete Pläne, verwarf sie, träumte von der Riesenanlage - und musste mit Schrecken erfahren, dass Trix Express vom Markt verschwand. Das war’s dann wohl. Ein netter Schwiegervater konnte mein Gejammer nicht ertragen und schenkte mir eine Anfangspackung „Märklin Z“, in Bamberg entdeckte ich einen Laden der mit gebrauchten Eisenbahnen handelt, eine schöne, kleine Anlage entstand. Im Internet entdeckte ich dann die Seiten der IG-Trix Express und des NERFÜ-Stammtischs – und merkte schnell, dass TE doch noch nicht ganz tot ist. Ich ersteigerte die eine oder andere Lok, baute mir einen Schienenkreis auf und träumte weiter. Immer Sommerurlaub 2008 kam meine liebe Ehefrau auf die tolle Idee das Treppenhaus zu streichen - dazu hatte ich nun wirklich keine Lust. Nicht im Urlaub, nein! „Wenn wir das Treppenhaus streichen, dann bau ich wieder eine Eisenbahn“! Die Antwort war deutlich: „Mach doch!“ Unter diesen Voraussetzungen machte die Renovierung richtig Spaß. Das Treppenhaus erstrahlte in neuem Glanz und ich verschwand in den Stall, räumte auf, schaffte neue Schränke an, suchte meine Modellbahnschätze zusammen, der Gleisplan lag ja fast fertig in der Schublade.
Der Grundplan stammt aus dem Alba-Modellbahnpraxis Buch 1 (Ausgabe 1989, Seite 30). Ich wollte eine Nebenbahnanlage mit einem Endbahnhof, einem kleinen Schattenbahnhof, einigen Anschlussgleisen mit entsprechender Landschaft bauen. Der Gleisplan wurde so verändert, dass die Anlage an mehreren Stellen verlängert werden kann.
Der Rahmen entstand aus Kiefernleisten, er ist zweigeteilt. Die Platten bestehen aus MDF. Die Landschaft wurde klassisch aufgebaut, Holzunterbau (verschraubt oder mit der Heißklebepistole verleimt), Fliegendraht (getackert), Gipsbinden (Bastelgeschäft) lassen sich leichter und großflächiger verarbeiten als Gipsbrei, Grundierung mit Abtönfarbe, auf großen Flächen habe ich (weil zu geizig für ein Beflockungsgerät) mit der guten alten Grasmatte gearbeitet (und mit verdünnter Farbe nachgearbeitet), ansonsten mit einer großen Mischung verschiedenster Materialien und verdünntem Weißleim den Bewuchs nachgebildet. Die Gleise sind eingeschottert, das ging viel einfacher als ich dachte, die Straßen sind aufgemalt, die verschiedenen Pflaster und Mauerwerke sind zu meist aus Pappe. Den Teich habe ich aus Seefolie gebaut – nachdem ich keine Erfahrung mit Gießharz habe. Die Gebäude sind farblich nachgearbeitet oder den Bedürfnissen angepasst. So besteht z.B. die Brauerei nicht nur aus Teilen der Vollmer-Brauerei, sondern auch aus einem Lokschuppen und vielen Teilen aus der Bastelkiste. Ein Faller-Haus sah meinem eigenen Bauernhaus sehr ähnlich. Aus Holzresten u.v.m. entstand anhand der verkleinerten Originalpläne der Scheunenanbau mit Stall.

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So sieht mein Domizil auf der Anlage aus

Im sichtbaren Bereich habe ich die Weichenantriebe durch Unterflurantriebe (Conrad) getauscht. Der Einbau war einfacher als ich dachte, alten Antrieb absägen, Weiche einbauen, an entsprechender Stelle 8 mm Loch bohren, Weichantrieb (Schablone) darunter montieren, Stelldraht  einbauen - fertig. Und der optische Eindruck ist klasse!
Die Anlage hatte anfangs ein Maß von 130 x 240, zwischenzeitlich wurde sie auf 130 x 320 erweitert. Sie wird analog betrieben. Um möglichst viel „Betrieb“ machen zu können habe ich viele Gleise abschaltbar gemacht (im Gleisplan die grünen Nummern, Weichen rot, Entkupplungsgleise blau). Zwei Stromkreise (Bahnhof Altenstein und Strecke) ermöglichen unabhängigen Betrieb – auch zu zweit. Es gibt eine obere Ebene mit Bahnhof Altenstein und die untere mit Schattenbahnhof (vier Gleise für sechs Garnituren und ein Stumpfgleis).
Den Mittelpunkt bildet der dreigleisige Bahnhof mit einer Kleinstadt. Bis zur Verlängerung 2011 war er ein Endbahnhof mit einem Lokschuppen und kleinem Güterbahnhof. Heute ist es ein Durchgangsbahnhof mit einem BW und 6-ständigem Ringlokschuppen. Mehrere Anschlussgleise (Güterschuppen, Fabrik, Sägewerk, Brauerei) sorgen für Rangieraufgaben. Schon bald erfolgte der erste Umbau, bei einer Börse erstand ich ein Flugzeug mit Antrieb, ein Flugplatz musste her. Mit der Stichsäge wurde der noch nicht einmal fertiggestellte Burgberg gekappt, der Tunnel aufgebrochen, es entstand der kleine Bahnhof Bergstein und eben der Flugplatz mit Tower, Halle, Flugleitungscontainer, Feuerwehr, Piloten, Segelflugzeugen.
Dank EBAY wurde mein Lokpark immer größer. Ich träumte von einem großen Lokschuppen, Drehscheibe, Bahnbetriebswerk. Ähnlich wie beim Flugplatz war dann der Kauf einiger Brauerei-Lkw schuld am letzten Umbau und Vergrößerung der Anlage. Zum einen entstand eine Brauerei (mit einer versteckten Zufahrt durch ein Gebäude um nicht noch eine Tunnelöffnung zu haben), zum anderen ein BW mit 6-ständigem Lokschuppen und Drehscheibe (Märklin). Damit auch große Maschinen Platz finden, der Schuppen aber nicht zu groß wird, sind die Abstellgleise unter die Brauerei verlängert. Das BW habe ich so gestaltet, dass die notwendigen Betriebsabläufe zumindest andeutungsweise nachgestellt werden können.

Untere Ebene
Obere Ebene

Der Gleisplan lässt auf der kleinen Anlage viele Varianten zu. Ein Zug, der den Schattenbahnhof durch Tunnelausfahrt „B“ verlässt, fährt die Rampe hoch und bei „A“ in den Bahnhof ein. Gleis 1 und 2 hat Bahnsteige, Gleis 3 dient zur Durchfahrt oder für den Rangierbetrieb. Nach dem Bahnhof passiert der Zug den Fabrikanschluss und verschwindet bei Tunnel „D“ wieder in der Unterwelt (2. Schattenbhf. z.B. für Triebwagen), taucht noch zwei Mal kurz auf und gelangt dann bei „E“ wieder in den Schattenbahnhof.
Züge, die den Bhf. Altenstein über „A“ verlassen und bei Weiche 9 abzweigen, erreichen den Bhf. Bergstein oder, versteckt durch ein Fabrikgebäude, die Brauerei. Fahren sie an der Weiche 9 geradeaus, können sie vor der Einfahrt in den Schattenbahnhof über Weiche 7b die Unterwelt aber auch verlassen und am Sägewerk vorbei zur anderen Einfahrt des Schattenbahnhofs („E“) gelangen – so werden sie gleichzeitig gewendet. Über die Weiche 11 ist unterirdisch ein Kreisverkehr möglich. An den Stumpfgleisen bei Weiche 10 (Holzarbeiten) und 12 kann die Anlage erweitert werden.
Wichtig sind mir die liebeswerten Details. Ein bisschen „heile Welt“. Ich wollte möglichst viele meiner alten Schätze wiederbeleben, Szenen aus dem Leben nachbauen, Geschichten erzählen. Nicht jeder Zug ist vorbildgerecht, nicht jedes Auto passt zu einer bestimmten Epoche. Vielleicht kann man die Anlage einem Sommertag in den 70ern zuordnen.

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