Wenn einer eine Reise tut – nach Bamberg um 1900

„Bamberch is fei schee…“ sag’n d Leud. „Doa mussd ma no“ ham’s g’sachd.

Also hab‘ ich mich in den Zug gesetzt und auf den Weg gemacht. Aber als Schwabe musste ich leider schnell feststellen, dass dieses Bamberch auch sehr teuer ist. Das haben die Leut‘ nicht gesagt. Deswegen hab ich mir ein Hotel im Vorort gesucht. KAISERDOM in Gaustadt. Hat sogar eine eigene Brauerei. Direkt am Bahnhof – ich bin gespannt.
Und mehr als überrascht, als ich auf Gleis 1 einfahre. Alle Achtung! So ein repräsentatives Stationsgebäude hatte ich wirklich nicht erwartet. Kurzer Blick auf die Uhr, 16.15 Uhr – oder wie man hier wohl sagt „verdelfünf“ – lohnt sich eigentlich nicht mehr, noch nach Bamberg zu fahren.
Vielleicht erst mal ein Schoppen in der Bahnhofsgaststätte. Eigentlich möchte ich ein „Kaiserdom“ bestellen, aber der Wirt schaut mir tief in die Augen „des gannsd ned saufa, des is Friedhofsbier“ – naja, die Brauerei mit dem Brunnen läge genau neben dem Gaustädter Friedhof, daher der etwas süßliche Geschmack. „A Schlenk gehd immer“ – ein Schlenkerla Rauchbier. Beim ersten Schluck denke ich, dass ich einen Schinken verschlucken würde – aber dann …

Und so erfahre ich, dass Gaustadt ein beliebter Umschlagplatz für Waren aus dem Umland und aus Unterfranken sei. „Undergefrangen“ sagen sie. Denn die würden so seltsam sprechen. So sei ein Weckla dort ein „Brödli“ … Na auf jeden Fall bringen die Bauern z.B. auch Holz aus dem Steigerwald hierher. Oder Viecher, deswegen gäbe es eine Tierverladerampe. 
Und die Lokomotiven – die könne man hier auch warten. Naja, nicht die ganz großen, aber immerhin.
Nach dem Schinkenbier mache ich mich also auf den Weg. Ja, ist schon eine eindrucksvolle Anlage. Sauber und gepflegt. Mit dem großen Schuppen, der Holzverladung und den Viechern. Und der dem Betriebswerk. Ganz schön was los.

Dann hab ich es doch noch probiert. Ein Kaiserdom im Kaiserdom. Also ich weiß gar nicht, was der Wirt von der Bahnhofskneipe hat, ich hab schon schlechteres Bier getrunken. Öttinger zum Beispiel…
Und weil ich sein Bier gelobt habe, hat mir der Kaiserdomwirt noch den Tipp gegeben, morgen mit dem Zuch nach Wildensorch zu fahren, da könnt mer auf die Burch. Da gäb’s sogar nen Bären, den Hassan.
Vor der Tür spielt eine Kapelle auf, sogar die Bayrische Hymne – ja, irgendwie ist’s hier doch „anders“ – auch wenn’s ihren Ludwig nicht mehr gibt.
Tief und fest bin ich eingeschlafen. Lag vielleicht am dritten Friedhofsbier, dass ich wie ein Toter geschlafen habe und vom Bären geträumt habe – der aus seinem Käfig ausgerissen ist und um die Burg schleicht….

Ja, ich bin wirklich nach Wildensorg gefahren – aber den Aufstieg zur Burg habe ich mir dann doch gespart. Nein, ich wollte endlich zum Hafen, so ein bisschen „ferne Welt“ schauen. Auf dem Weg kamen mir die ersten Hafenarbeiter entgegen, so richtig hab ich sie nicht verstanden, aber sie klangen sehr nett.

Rechts vom Bahnhof ist eine Tuchfabrik – oder so ähnlich. Ein stattlicher Ziegelbau. Tatsächlich mit Gleisanschluss. Schaut gar nicht so groß aus, naja, wer weiß, vielleicht expandieren die noch. „Oh Danke“ hab gerade einen Apfel geschenkt bekommen – doch sehr freundlich.

Links vom Bahnhof ist noch ein Gleis. Auch interessant. Auch wenn der Geruch etwas seltsam ist. Hier wird Petroleum in Kanister gefüllt und an die Haushalte verteilt. Naja, noch haben nicht alle elektrisches Licht, vor allem auf dem Land nicht.

So, jetzt aber endlich Richtung Wasser! Was für ein Treiben! Eigentlich dachte ich, dass die Eisenbahn dem Schiffsverkehr überflüssig macht, aber anscheinend. Also hier ist zumindest einiges los. Vor dem Lagerhaus liegen gleich zwei Kähne. Einer wird gerade beladen. Die Arbeiter karren fleißig Kisten aus der Halle zum Kai. Und mit dem großen Kran werden große direkt von einem Wagon verschifft.

Vor kurzem hat ein Kahn wohl erst abgelegt – ich seh in noch in der Ferne. Jetzt wollen sie den leeren Kahn wohl mit dem Dampfschlepper vor das Holzlager bugsieren. Na, genug Holz liegt da ja wohl noch. „Des is für’d Walhalla – do is’s Dach gabudd“ Ah ja. Naja, die ist ja auch schon 60 Jahre alt.
Eine Weile schaue ich mir das Treiben an. Irgendwie ist alles fränkisch gemütlich. Vielleicht auch wegen der ein oder anderen Flasche Bier, die hier getrunken wird. Aber sie sagen nicht „ein Bier“, sie sagen „a U“ – später erfahre ich, dass es „ein Ungespundenes“ von der Brauerei Mahr ist. Soll ich mal versuchen, ham’s g’sachd“.

Und so mache ich mich auf dem Weg Richtung Stadt. Vorbei am kleinen Haus vom Hafenmeister. Na, da geht’s rund. Ob das alles seine Kinder sind? So viele in dem kleinen Haus. Naja, immerhin haben sie einen Gemüsegarten. Oh, daneben ist ein Kolonialwarengeschäft. Ja, hier fühlen sich die Besseren wohl. Feine Leckereien aus aller Welt. Nein, nichts für mich. Das blaue Haus daneben fällt auf – TRIEBEL steht da. Juwelen und Geschmeide. Na, mal schaun, vielleicht für meinen Schatz. Schöne Sachen hat der schon!

An der Ecke Markt. Frische „Örpfel“ sagt die Bäuerin, „Bambercher Hörnla“. Nein Danke, Apfel hatte ich heute schon.

„Exdrabladd – Exdrabladd“ schreit der Zeitungsbursche am Verlagshaus. Nein, jetzt nicht, vielleicht später. Viel interessanter schien mir da die Gesellschaft am Ausflugsdampfer. Und während ich noch versuchte die Situation zu verstehen, sprach mich die Bäuerin – die mit den Örpfeln – an: „des is der olde Käpdn Kropf. Wissens, der is früher auf grosser Fahrd gwen, Afriga und so. Etz manen die Madla, dass dös alles wos der derzähld woar is. Naja, die jungen Dirndl hold“. Aber mit dem „Schlagrahmdampfer“ soll ich amol fahrn – hat sie auch noch gesagt. “Das is fei scheee”. Hatt’s g’sachd.
(Bis heute betreibt Familie Kropf die Ausflugsdampfer im Bamberger Hafen)

Neben dem Fränkischen Tagblatt ist ein schönes Weinhaus. Naja, ich mag den fränkischen Wein nicht so, ziemlich sauer. Ein guter Trollinger ist mir da lieber.
Anscheinend liegt hier aber nicht nur dieser Schlagrahmdampfer, denn in dem großen Lagerhaus gegenüber ist auch einiges los. „No wissens, früher woar hier mehrer los“ sagt die Örpfel-Frau, „aber etz is des mehr Zeich von die Händler, woas da g’lacherd wird“.

Ich verabschiede mich mit einem Lächeln – sonst muss ich doch noch Örpfel – kaufen und geh weiter Richtung Schlachthaus. Ja, das ist fast so bekannt wie der Bamberger Reiter, steht es doch halb im Wasser. Sei praktisch, wegen den Abfällen. Naja, riecht man. Oder? Ach so, nein, da ist ja auch noch ein Fischstand. Und was für Prachtexemplare, alles Achtung. „Mid dem Frängischen Tagbladd gannsd ned a mol mer dein Fiiisch einbaggn“ hör ich den Händler sagen – ja, so ähnlich hatte ich das auch schon mal gehört.
„Der hört nix mehr“ ist mein Gedanke an den Burschen in seinem Kahn. Hat ne Kiste Bier dabei und lässt es sich gut gehen.

„Schau dassd weidergommsd, wenn d‘ mei Bier ned verdrägsd, brauchsd a ned nach meim Madla schaun“ – Hoppla, was ist denn da los? Gerade kommt ein Gast aus dem Wirtshaus gestolpert, direkt vor die Füße des Herrn Bankdirektors. Na, die Familienplanung hat sich da wohl gerade ergeben.
Ich geh weiter, vorbei an einem recht prächtigen Gebäude „Hochzeitshaus“ steht an der Pforte. Das erklärt, warum das Paar vor der Tür so strahlt.

Gleich hinter dem Reiterdenkmal ist es! Mein Ziel des heutigen Tages! Die Wirtin im Hotel hat mir den Tipp gegeben: „Doa müssens noa, zum Donin, ins Rondo“ Er sei ein waschechter Italiener, der ganz besondere Kaffeespezialitäten aus seiner Heimat hat. Den mit dem Milchschaum, den soll ich probieren. Heißt Gazubino oder so ähnlich.
„Hier wird ned geboden, wie ofd denn no?“ Was für ein Geschrei – ach so, da hat der Herr Wachtmeister einen erwischt, der sich im Hafenbecken erfrischen wollte. Also nein, direkt am Schlachthaus – das kann nicht gesund sein.
Da machen es die Schulkinder schlauer – an dem Rondo steht tatsächlich auch ein Eiswagen. Nein, sowas gibt es auch schon in Bamberg.
Mir ist jetzt aber eher nach so einem Gazubino …


Zum Abschluss noch ein paar “Luftbilder” von der Anlage.IMG_2535

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